Im Moment lebe ich abschiedlich


Im Moment lebe ich abschiedlich.

Ich hab in meinem Leben schon viele Menschen verloren,

weniger durch den Tod,

als mehr durch Kontaktabbrüche, Freundschaftsende oder 

Aufbau von Distanzen. 

Wenn ich auf diesen Abschnitt meines Lebens schaue,

der bezieht all die vorherigen Jahre und Verluste ein, 

dann ist es, 

wie das Bild mit einer Bank: sie ist leer. 

Die Bank, wo ich meine Leute getroffen habe ist leer. 

Allerdings macht mir das gerade so gar keine Angst.  

Ich hab das Foto extra so bearbeitet,

dass es ein wenig aussieht, 

als käme es nicht aus diesem Jahrhundert. 

Und das macht mir klar, ich spreche von meiner Vergangenheit.

Auf einmal hat der Anblick der leeren Bank etwas Tröstliches.

Es ist vorbei. 

Ja, sie ist leer.

Aber es ist vorbei. 

Das heißt eben auch, dass sich nicht einfach jemand, 

vor dem ich mich fürchte oder der mir weh getan hat, 

auf diese Bank setzen wird. 

Es ist zu lang her, 

dass auf dieser Bank Menschen Platz genommen haben, 

die mir weh tun konnten. 

Ich glaube, ich habe
 meine Bank an einen anderen Ort getragen. 

Oder eine neue an einem anderen Ort gebaut.  

Das stellt sich heraus, 

wenn ich das Motiv gefunden habe, 

womit ich das Hier und Jetzt dokumentieren mag.

Ich sehe natürlich 

nicht nur schlimme Begegnungen, 

wenn ich auf diese Bank blicke. 

Ich erinnere mich an all die Menschen, 

die auf dieser Bank Platz genommen haben.

Sie blieben nie lange dort sitzen,  

aber sie waren doch da 

und in Gedanken rauschen sie,

wie zufällige kurze Besucher durchs Bild.

Trotzdem sind die Menschen, 

denen ich nicht begegnen will bestimmend. 

Und so bin ich sehr froh, dass die Bank leer ist 

und 

das Bild "alt".

Es hat gedauert, bis ich anfangen konnte, 

diese ganzen Verluste akzeptieren zu können. 

Im Moment lebe ich abschiedlich.

 

Aljezur den 31. Dez 2016





Monte Clérico

© Berenike